Wer nun Fabelwesen oder Drachenartige Echsen erwartet, den muss ich leider enttäuschen. Aber fangen wir den Tag von vorne an. Das frühe Aufstehen scheiterte bereits um satte zwei Stunden. Es lag vermutlich an den Lavendel Blüten die ich unter dem Kopfkissen deponiert hatte. Es riecht hier halt viel intensiver als zu Hause.
Nach eine späten Frühstück und dem Verpacken der Geräte, machten wir uns mit dem Wagen aus dem Valle Gran Rey in Richtung Norden auf. Über Arure ging es zunächst bis Los Barranquillos. Ab hier ging es quer durch den Nebel des Lorbeerwaldes im Garajonay Nationalpark. Der Nebel war sehr dicht und die Sichtweiten fielen teilweise auf unter 50 Meter. Auch die Temperaturen fielen: acht Grad war der Teifststand dieses Tages. Die Straße schlängelte sich in einem stetigen Wechsel von Links- und Rechtskurven auf einem Niveau von etwas über eintausend Metern über NN. Kurz hinter dem Alto De Garajonay (1487 Meter) führte uns die Straße bei Pajarito gen Süden. Direkt in das trockenste Gebiet von la Gomera. Schon bei der Abfahrt merkte man das es anders war als im heimischen Valle Gran Rey. Der erste Stop erfolgte allerdings schon bei Imada, welches sich noch in einer Höhe von über 800 Metern befindet.
Bei Imada angekommen merkte man schnell das man nicht der einzige war der an diesem schönen Sonntag gern ein wenig durch die Botanik schlendern wollte. Apropos schlendern. Dies ist eher unsere Fortbewegungsart, sofern man den Zeitangaben der Wanderführer glauben schenken darf. Eine ambitionierte Tour hört nach der Ansicht der Autoren erst dann auf wenn man blutige Füße hat. Vielleich sind diese Wanderführer auch einfach nicht führ Norddeutsche geschrieben?!
Wir bewegten uns also ein wenig die Straße aufwärts zu dem Beginn des Weges zum El Drago. Ein zirka achtzig Zentimeter breiter Steinpfad, welcher aus groben Geröll sehr schön gelegt war. Zumindest am Anfang. Später sollten Stufen folgen, die offensichtlich für Menschen ab 185cm Körpergröße konzipiert waren. Dennoch war der Abstieg recht angenehm. Kanarischer Hafer, Opuntien, weißer Natternkopf und viele andere schöne blühende Pflanzen säumten den Weg. Einige Höhenmeter später konnte man ihn sehen: El Drago (Dracena draco). Die Schrittfolge nahm an Tempo zu und man versuchte schneller zu dem Ziel zu gelangen. Nach jeder Haarnadelkurve des Pfades dachte man sich: gleich bin ich da. Einer der täglichen Irrglauben denen man verfällt wenn man hier zu Fuß unterwegs ist. Einige Kurven später stand man dann vor ihm. Ein mächtiger großer, stattlicher, gesunder und wunderschöner Baum. Man schätzt das er 13 bis 14 menschliche Generationen überlebt hat. Das wären über 400 Jahre. Dies und auch das massive Vertrauen in die menschliche Vernunft dürfte der Grund gewesen sein warum man dieses Wunderwerk der Natur eingezäunt hat und ihm, fast schon respektvoll, ein Plateau gemauert hat, von dem aus der kurzlebige Mensch diesen altehrwürdigen Baum bestaunen darf. Es folgten unzählige Fotos. Unterschiedliche Himmelsrichtungen, verschiedene Einstellungen der Kamera, mit allen verfügbaren Kameras. Man mag es verrückt nennen, aber irgendwie sind solch alten Pflanzen auf ihre eigene Weise faszinierend.
Nachdem man sich dabei ertappte in eine Art Fotorausch zu verfallen, stellte man lieber, bevor es jemand merkte, das fotografieren ein. Wir zogen davon und ließen El Drago hinter uns – in der Hoffung das er noch viele Jahre dort stehen bleiben wird.
Der Hunger nagte und Durst war ebenfalls ein großes Thema. Wir wollten einen angemessenen Ort für eine Pause und schlugen den Rückweg zum Wagen ein. Auf dem Weg entdeckte man weitere Kostbarkeiten wie zum Beispiel das blühende stattliche Aeonium (Aeonium appendiculatum). Es heißt auf deutsch wirklich so und ich muss zugeben das es der Pflanze gerecht wird, der Name aber nicht wirklich glücklich gewählt ist. Mit einer Größe, inklusive Blütenstand, von ungefähr fünfzig Zentimetern ist es in der Tat recht stattlich und zudem auch wunderschön.
Als wir uns „endlich“ von den botanischen Kostbarkeiten getrennt hatten, folgten wir meinem Vorschlag und fuhren weiter. Vorbei an Alajero in Richtung Playa Santiago – direkt an den Atlantik. Unzählige Kurven führten uns durch ein scheinbar vertrocknetes Tal.
Unten angekommen waren es auf Meeresniveau schließlich knapp über dreißig Grad. Eine Parkbank direkt am Strand, zwischen der Marina und der Promenade, sollte für ein Mittagessen herhalten. Wasser, ein Nussmix und Müslibrötchen vom deutschen Bäcker aus Vueltas ergaben mitsamt dem fantastischen Ausblick, der Temperatur und der salzigen Seeluft eine perfekte Mittagszeit.
In Anbtracht der Lage das mehr als eine Stunde Rückweg vor uns liegen sollte, machte wir uns relativ zeitnah wieder auf den Weg und passierten dabei den einzigen Flughafen der Insel. Hier landen Propeller Maschinen von dem Flughafen Tenerifa Nord.
Mit den Gedanken noch nicht einmal vom Strand gelöst, stand kurz hinter Playa Santiago ein Mann, der seinen Daumen heraushielt. Wir hörten hin und wieder davon das Menschen hier so reisen und nahmen ihn kurzentschlossen mit. Frei nach dem Motto: Jeden Tag eine gute Tat! Es stellte sich heraus das er seit dreißig Jahren hierher kam und ständig Ausflüge machte ohne den Rückweg akribisch zu planen. Bus oder per Anhalter, irgendetwas sollte schon klappen.
Es gab zahlreiche Informationen zu der Insel und ihrem Verlauf über die letzten drei Jahrzehnte. Die Zeit bis nach Valle Gran Rey verflog wie im Flug und selbst der Regen zwischendurch sowie der noch dichtere Nebel machten die Unterhaltungen noch spannender, da diese Dinge immer gleich mit in die Unterhaltungen einfloßen.
Unser Mitreisende sollte nach La Playa und deshalb machten wir einen kleinen Umweg und brachten Ihn nach Hause. Immerhin erzählte er uns das er in den letzten dreißig Jahren noch nicht einmal zu spät zum Essen gekommen wäre.
Zu Hause angekommen waren wir wir freudig überrascht und glücklich wie gehaltvoll dieser Tag wieder gewesen ist und wie der tag mal wieder durch Unerwartetes bereichert wurde. Zur Belohnung gab es ein Malzbier und ein ökologisch total unsinniges aber leckeres Leffe Bier aus Belgien zum Essen.
Ein guter Tag!