Manche Wege dauern einfach länger. Der Weg von Aiquile nach Santa Cruz de la Sierra (26.11.) war ein solcher.
Angefangen hatte es mit einem wunderschönen Standort von S. mentosa vor den „Toren“ von Aiquile. Vielmehr als dies und eine schrecklich schöne und merkwürdig konstruierte Kirche hatte der Ort auch leider nicht zu bieten.
Nachdem „abfotografieren“ der Pflanzen hatten wir uns leider ein wenig mit dem nächsten Waypoint verhaspelt und die dort vermutete S. albissima leider nicht gefunden. Als Entschädigung gab es dann nach ein wenig Schotterpiste die wunderschönen Sulcorebutia swobodae. Die Pflanzen sahen auf den ersten Blick aus wie Grasbüschel und der eigentliche Körper war kaum auszumachen. Einige Pflanzen hatte prächtige Blüten, die leider von kleinen fiesen Ameisen abgetragen wurden. Fast schon tragisch komisch war der Anblick von umherlaufenden Blütenblättern. Mit ihren riesigen Mandibeln wurden in windeseile die Blüten zerlegt und in den Ameisenbau abtransportiert.
Der weitere Weg sollte uns direkt nach Santa Cruz führen. Auch das hört sich wieder sehr einfach an. Nach Aiquile kommen erst einmal 110 Kilometer extrem nervtötende Schotterpiste. Diverse Kilometer nach Aiquile sah ich im Rückspiegel etwas was so nicht sein durfte. Dort wo der Reifen hinten links seine Runden drehen sollte, sah ich ein Gebilde welches eher einem dieser komischen Wedel in der Waschstraße glich. Der Reifen war komplett zerlegt und Aufgrund der ständigen Ruckelei hatten wir es leider nicht sofort bemerkt.

Ein sofortiger Stop war nötig und wir versuchten ersteinmal bei über vierzig Grad die Situation zu überblicken. Kein ADAC und kaum Fahrzeuge die einem weiterhelfen könnten. Der Plan: Reifen abnehmen und den Ersatzreifen festschrauben. Danach weiterfahren. So einfach ist es, wie man sich vielleicht denken kann, nicht gewesen. Den Reifen zu lösen ist eine einfache Kraft-Frage und durchaus machbar. Nun musste der Ersatzreifen noch unter dem Fahrzeug abmontiert werden. Hierzu hatte Toyota eine tolle Idee: Man steckt drei Stangen ineinander und fädelt sie am Heck in einem kleinen Loch ein. Nach zirka 60 Zentimetern sollte man, so in der Theorie, den Haken am Ende irgendwo einführen, die Stange drehen und somit den Reifen, welcher an einem Stahlseil hängt, ablassen. Nach ein wenig Gefummel war es erfolgreich und zum Vorschein kam ein Ersatzreifen ohne Luft. Willy hielt also den nächsten Truck an. Dieser sollte ihn mitsamt dem Reifen zurück zum nächsten Ort bringen. Dort gab es eine Gomeria. Dies ist ein Geschäft welches mit primitivsten Mitteln versucht Reifen zu reparieren. Die Gomeria war geschlossen, aber Willy fand einen anderen Truckfahrer der ihm in diesem Ort den Reifen mit Luft füllte und ihn dann sogar wieder zu uns zurück brachte. Wir waren derweil übrigens damit beschäftigt das Auto und die Sachen zu bewachen und nicht auszutrocknen. Da die Koffer ja auf der Straße standen, hatten wir diese schnell in Müllsäcke gepackt und in den Schatten unter den Truck geschoben. Zur Erklärung: Wagenheber und Gestänge waren unter den Sitzen der Rückbank und deswegen mussten wir den Wagen ausräumen. Nun kam die Hebeaktion. Der Wagenheber war für solch einen Truck zu klein. Wir waren ausgesprochen kreativ und hieften den Truck erst ein wenig hoch, packten Steine unter die Achse und buchsierten dann den Wagenheber mit Steinen unterfüttert erneut unter den Wagen. Dann wurde der Wagen angehoben und der Reifen montiert. Zwischenzeitlich bretterten diverse Trucks vorbei und hüllten uns in besten bolivianischen Staub ein.
Vorerst konnte es weitergehen. Im nächsten Ort wurde eine Gomeria gesucht die unseren Hinterreifen mit weiterer Luft versorgte. Anschließend wurde bei irgendeinem wildfremden ein neuer Reifen für diverse Bob gekauft. Damit ging es dann wieder zur Gomeria und der gute Mann zog diesen Reifen auf die bereits zerbeuelte Felge. Nun waren wir gerüstet für den weiteren Weg. Über 200 Kilometer lagen noch vor uns. Die ersten Kilometer waren nicht schlimm, nur holperig. Die Angst im Nacken des es ein weiteres Mal passieren könnte fuhr mit. Der Anblick von zerrissenen und aufgeschlitzten Reifen am Wegesrand war für die Motivatione keine große Hilfe. Unzählige Reifen lagen neben der Straße herum.
Das unausweichliche kam als nächstes: es wurde Dunkel. Das Auswärtige Amt rät hierzu: „Nächtliche Überlandfahrten sollten vermieden werden.“ Überfälle, Tier, Betrunkene auf der Straße etc. – es gibt viele Gründe. Bis auf die Überfälle haben wir auch fast alle gesehen. Zum Glück wurde niemand verletzt. Man muss dazu sagen das die Straßen schlecht beleuchtet sind und teilweise die Tiere auf der Straße liegen. Die gesamte Zeit saß ich auf dem Beifahrersitz, hielt nach Gefahrenquellen Ausschau und sehnte mich nach Koffein in größeren Mengen.
Nach sechzehn Stunden kamen wir in Santa Cruz an – ohne Frühstück, Mittag und Abendessen. Die Ernährung des Tages bestand aus Vitaminpillen, Bananen, Keksen und Wasser. Das Abendessen, ebenso wie das Sichern der Daten entfiel. Säubern und komatös auf eine Matratze fallen war die letzte Amtshandlung des Tages.
Resultat des Tages: die gesamten schwarzen Klamotten haben eine lehmige Farbe abgenommen, es gab einige Bilder (Wir hielten sogar zwischendurch für eine Quiabentia, einen G. pflanzii und Weingartia spec. an. Spaß muss sein.), die Finger und der Rücken schmerzen vom Reifenwechsel und der Abenteuerfaktor war extrem groß.